Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit dem Beschluss vom 25.03.2021 den Berliner Mietendeckel (Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin = MietenWoG Bln) für unvereinbar mit dem Grundgesetz und entsprechend für nichtig erklärt. Hier geht es zur Pressemeldung des BVerfG zu dieser Entscheidung.

Grundlegend ist das natürlich eine furchtbare Nachricht für alle Berliner Mieterinnen und Mieter (inkl. *). Dennoch war die Entscheidung absehbar. So richtig schlimm wird es für all jene, die sich (v.a. aus finanziellen Gründen) nicht gegen die jetzt anstehenden Nachzahlungen wappnen konnten und bald akut von Obdachlosigkeit bedroht sind. Dies dürfte Tausende von Haushalten betreffen. Da hätte man natürlich für den Fall der Fälle schon mal vorsorgen können. Andererseits wozu – dass es so ausgeht hatte ja wirklich niemand ahnen können. So richtig eklig wird es aber, wenn eben genau jene, die den Vermieter*innen den Gefallen getan haben das Klagerisiko auf den Steuerzahler abzuwälzen sich als Vorkämpfer für den Mieter*innenschutz darstellen.

Man kann (und muss) R2G sicher eine ganze Menge Fehler vorwerfen die sie bei dem verzweifelten Versuch gemacht haben, Berliner Mieter*innen vor den Auswirkungen eines entfesselten internationalen Kapitalmarktes zu schützen. Dies war von Anfang an ein ungleicher Kampf und „wird schon irgendwie gut gehen“ eignet sich da eindeutig nicht als Strategie. Der Scherbenhaufen vor dem jene Kommunen jetzt stehen, die Mieterinnen und Mieter in extrem angespannten Marktsituationen beschützen wollen ist aber nicht R2G in Berlin und erst recht nicht dem BVerfG anzulasten.

Das ist natürlich insgesamt ein hochemotionales Thema, und als Betroffener (Mieter) bin ich da auch nicht neutral.
Ich habe mich einerseits sehr über den Mut der Berliner Landesregierung gefreut, überhaupt etwas gegen die unglaublichen Mietsteigerungen in der Stadt zu unternehmen. Kurz vor dem ersten Corona-Lockdown hatte ich das große Glück Harald Wolf von der Partei DIE LINKE in der Cafeteria des Abgeordnetenhauses von Berlin zufällig zu treffen und wir haben uns ein wenig über den Mietendeckel unterhalten. (Jaaa, vor der Pandemie ging so etwas noch – da konnte man als einfacher Bürger einfach so höchstpersönlich mit politischen Mandatsträgern reden. Für mich eine der größten Errungenschaften unserer Demokratie und ein echter Gewinn für beide Seiten. Hoffentlich kommt das irgendwann mal wieder!) Sein wichtigstes Fazit war: Die Lage war extrem und wir mussten handeln.

OK, verstehe ich. Wer in den letzten Jahren versucht hat, eine Wohnung in Berlin zu finden kann mit bestätigen wie krass die Lage war und ist. Und ich als Mieter konnte die Uhr danach stellen, dass zum jeweils ersten möglichen Stichtag immer pünktlich die maximal mögliche Mieterhöhung im Briefkasten lag (das kommt jetzt natürlich alles wieder). Die Verdrängungsprozesse waren so heftig, dass die Innenstadt binnen weniger Jahre voraussichtlich vollkommen leer gewesen wäre. Dort hätte es dann nur noch unbewohnte Wohnungen internationaler Investoren und freie Parkplatzauswahl für Porsche und Tesla Fahrer*innen gegeben. Für Mieter*innen mit Altverträgen hätte die Uhr etwas langsamer getickt aber ihre Zeit wäre nichtsdestotrotz bald abgelaufen.

Andererseits hat mich diese gigantische Stümperhaftigkeit und Naivität bei der Konzeption und Umsetzung des Mietendeckels von Anfang an genervt. Die Liste vorheriger Warnungen ist zu lang um sie alle rauszusuchen, stellvertretend verweise ich an dieser Stelle auf ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier vom 06.09.2019. Natürlich kann man sagen, klar – das wurde ja im Auftrag der Wohnungswirtschaft erstellt, da wollen wir erst mal abwarten wie das Verfassungsgericht wirklich entscheidet. Aber hätte man sich das nicht wenigstens mal durchlesen können? Statt die Mieter*innen sehenden Auges ins offene Messer laufen zu lassen. Sind wir in den Augen der Entscheider*innen so eine Art Frontschweine, die man durch juristische Minenfelder schickt? Das Sahnehäubchen war natürlich der Geniestreich, das Ganze zu einem Stichtag rückwirkend einzuführen. Spätestens an der Stelle hätte jedes Gericht dann irgendwann mal das Stoppschild hochgehoben.

Spannend finde ich, dass das aktuelle Verfahren vom BVerfG als BvF, also als abstrakte Normenkontrolle entschieden wurde. Das ist das Klageverfahren, das die CDU und FDP Fraktion auf Landes- und gleichzeitig auf Bundesebene eingeleitet haben, um möglichst schnell einen direkten Zugang zum BVerfG und so eine schnelle Entscheidung zu erhalten. Wieder was gelernt. Die Berliner Landesregierung hätte so ein Verfahren übrigens selbst einleiten können. Vorzugsweise zu einem Gesetz dessen Wirksamkeit erst in der Zukunft beginnt. Das wäre mal ein Schachzug gewesen. Wow.

Ham´se aber nicht. Statt dessen wurden alle Warnungen in den Wind geschlagen und nicht einmal ein Plan B aufgestellt für den Fall dass der exotische Ansatz scheitert. Hier mal eine verrückte Idee: Wenn man schon in die Vertragsfreiheit eingreifen muss (und ja – es war nötig und dringend), warum schafft man dann nicht einen Mechanismus der dafür sorgt, dass der strittige Anteil der Miete (also der der ggf. von den Vermieter*innen nachgefordert werden kann) auf einem Sperrkonto landet bis die Sache geklärt ist. Denn das wäre fairer gewesen. Was jetzt nämlich in der Folge der Entscheidung des BVerfG entstanden ist, kann man als klassische moral hazard Situation betrachten: einige Mieter*innen haben die eingesparte Miete als Sicherheit für mögliche Nachzahlungen zurückgelegt – andere nicht. Soll jetzt denjenigen geholfen werden, die (aus welchen Gründen auch immer) das Risiko eingegangen sind, keine Rücklagen zu bilden? Oder müsste allen geholfen werden, um eine Gleichheit vor dem Gesetz wieder herzustellen? Oder Keiner und Keinem (+*)? Man sieht – wenn die Dinge vorher nicht genug durchdacht werden, wird es hinterher kompliziert. Nur eins ist sicher: Die Einen (V.) machen Kasse und für die Anderen (M.) brechen düstere Zeiten an.

Und was bedeutet das Ganze jetzt für die Stadtplanung? Im Grunde erst mal nichts gravierend Neues. Der Bundesbauminister nutzt den Anlass, um (neben seiner Erleichterung über die Entscheidung – die er mit dem Bundeswirtschaftsminister teilt) noch einmal auf die neue alte Devise hinzuweisen: bauen, bauen, bauen. Und zumindest darin sind sich dann die verschiedenen Akteure wieder irgendwie einig. Vom Mieterbund über die Senatsverwaltung bis zum Bundesministerium. Alle wollen ein bisschen etwas anderes aber irgendwie wird schon etwas Positives dabei herauskommen wenn wir nur genügend Fläche versiegeln und Beton fließen lassen. Man könnte auch von einer Externalisierung interner Zielkonflikte sprechen.

Bauen, bauen, bauen und sonst nix? Klimawandel? Biodiversität? Naturschutz? Wassermangel? Lebensqualität? Grünraumversorgung? Bodenschutz? Soziale Durchmischung? … Jaja, ist ja schon gut – alles wichtige Themen. Darüber machen wir uns dann morgen Gedanken. Wenn´s so weit ist. Und dann sehen wir weiter.

Exakt wie beim Mietendeckel.

erster Nachtrag vom 15.04.2021

Die meisten Reaktionen auf das Urteil des BVerfG sind entweder negativ (schlecht für die Mieter*innen … etc.) oder positiv (endlich Klarheit, R2G wurde für sein Experiment abgestraft … etc.). Oder wie die SZ es ausdrückt: „Katastrophe“ bis „Weckruf“.

Interessanterweise geht Prof. Dr. Tim Wihl auf seinem Blog den Zweiten Senat des BVerfG außerordentlich scharf an und erklärt gewissermaßen das Urteil des BVerfG für nichtig. (Zitat: „politökonomisch uninformiert (…) naiv (…), in juristischer Hinsicht (…) handwerklich schwach“.) Ob man diese Meinung jetzt teilt oder nicht – ich halte seinen Beitrag auf jeden Fall für lesenswert und habe ihn deshalb verlinkt. Inhaltlich stimme ich nicht mit allem überein, aber darum geht es ja auch nicht. Offener Austausch schärft die Sinne. Durch seinen Impuls habe ich mir jedenfalls die Begründung des BVerfG noch einmal genauer angeschaut und bin in der Tat auch über einen Teil gestolpert der mir Bauchschmerzen bereitet:

Zitat: „Spätestens mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz hat der Bund die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum abschließend geregelt. In den vergangenen sechs Jahren hat er mit den vier genannten, teils umfangreichen Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in den Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen.“

Alsooo: Wenn der Bund nur versucht hat, mit detaillierten Rgelungen einen Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessen zu schaffen, ihm dieser Ausgleich aber offensichtlich nicht gelungen ist (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – siehe z.B. hier, hier und hier), kann ja wohl auf keinen Fall die Rede davon sein, dass der Bund die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum abschließend geregelt hat. Vielmehr bleibt die Mietpreisbremse des Bundes weitgehend unwirksames Stückwerk, an dem selbst der Bund beständig neu herumdoktert. Wenn also, anders formuliert, die Regelungen die der Bund trifft, vollkommen an den Problemen vorbeigehen die vor Ort in den Kommunen vorliegen, sollte es laut der o.g. Begründung des BVerfG eigentlich einen Spielraum für weitergehende Regelungen in den Ländern geben. (Denn das Recht dazu hat das BVerfG ja eben genau NICHT verneint.)

Man kann den Spieß natürlich auch umdrehen und das Urteil als eine Verpflichtung des Bundes lesen, sich den bestehenden Problemen (Wohnungsnot, explodierende Mieten, etc.) anzunehmen bis diese abschließend geregelt sind, d.h. kein weiterer Handlungsbedarf für die Länder besteht. (Ich weiß, so ist es nicht gemeint – aber da beißt sich die Katze dann in den Schwanz, d.h.: keine abschließende Regelung = Handlungsspielraum für die Länder; kein Handlungsspielraum für die Länder = zwingend eine abschließende Regelung (die funktioniert) erforderlich.

Na wenigstens verstehe ich jetzt was mit handwerklich schlecht gemeint ist. Schade eigentlich.

zweiter Nachtrag vom 16.04.2021

Nachdem ich jetzt eine Nacht darüber schlafen konnte (und meistens sieht man dann ja alles ein wenig lockerer), hat sich bei mir doch recht deutlich eine große Unzufriedenheit mit der Entscheidung des BVerfG eingestellt. Dem Zweiten Senat hätte doch deutlich aufgehen müssen, dass ein „one size fits all“ Ansatz im Bereich der Regulierung lokal angespannter Wohnungsmärkte einfach nicht sinnvoll sein kann. Während das BGB natürlich überall gleichermaßen gültig sein muss, ist es ebenso nötig dass ein Gesetz das auf lokale Problemlagen reagiert (Mietpreisbremse) selbstverständlich anpassbar sein muss an die konkrete Situation vor Ort. Der Königsweg würde sicherlich darin bestehen, der Mietpreisbremse eine Ermächtigungsgrundlage hinzuzufügen die den Rahmen für eine lokale Anpassung durch entsprechende Verordnungen definiert. Aber kein Wort dazu – nichts. (Abgesehen von der Anmerkung, dass eine Ermächtigung auf Basis der BGB Regelungen unzulässig ist. Was aber für die Mietpreisbremse m. E. nicht so gilt.) Das ist einfach zu wenig. Naja, zumindest wird das Thema auch die nächsten Jahre auf der politischen Agenda bleiben, da ist also noch alles möglich.

OK, ein kleiner nachträglicher Einschub zum letzten Absatz an dieser Stelle, da ich mich nicht genau genug ausgedrückt habe: Natürlich gibt es bei der Mietpreisbremse die Verordnungsermächtigung nach § 556d BGB. Zur Ausweisung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Aber dann dürfen die kommunalen Entscheidungsträger*innen mit diesen ausgewiesenen Gebieten nichts weiter machen als die 10 % Mietpreisbremse anzuwenden, die nicht hilft. Da muss unbedingt nachgebessert werden. Wir brauchen deutlich feingliedrigere Steuerungsmöglichkeiten, um besser auf lokale Verzerrungen des Marktes reagieren zu können. Vielleicht mit verschiedenen Stufen zur Bemessung angespannter Wohnungsmärkte. Und eben auch verschiedenen angemessenen Reaktionsmöglichkeiten. Bis hin zum Einfrieren der Mieten solange die Situation dies erfordert unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig ein Handlungskonzept aufgestellt wird, wie die Kommune aus dieser Lage wieder herauskommt.
Im Verkehrsrecht wird ja auch nicht gesagt, zack, der Bund hat festgelegt man darf überall in der Stadt 50 km/h fahren, das gilt jetzt ausnahmslos auch vor der Schule und der Kita. Und auch da hat es „ewig“ gedauert bis die heute gültigen Rechtsnormen in ihrer jetzigen Form gewachsen sind. Insofern: abschließend geregelt? Absolut und definitiv auf keinen Fall!
Und der Bund sollte sich lieber früher als später intelligente Feinsteuerungsmechanismen einfallen lassen, denn schon mehren sich die Forderungen nach einem bundesweiten Mietenstopp. 6 Jahre lang überall in Deutschland die Mieten einfrieren. Einfach so, unabhängig von der Lage vor Ort. Naja, aber die Leute sind halt verzweifelt.

Ach ja, eins noch:
Die Goldmedaille für die unpassendste Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG zum Berliner Mietendeckel geht von mir an Claus Michelsen – Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik beim DIW.

Zitat (Hervorhebungen von mir): „Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel heute für verfassungswidrig erklärt. (…) Für die Haushalte bedeutet dies nun vielfach wieder höhere Mietzahlungen – auch Nachzahlungen der unrechtmäßig abgesenkten Miete werden auf die Haushalte zukommen. Dies wird gerade einkommensschwache Haushalte vor größere Herausforderungen stellen. Im Extremfall droht ihnen die Wohnungslosigkeit. Was für viele Mieterinnen und Mieter zunächst eine schlechte Nachricht ist, dürfte aber mittelfristig den Markt entspannen.“

Eigentlich müsste jetzt Prof. Marcel Fratzscher (Präsident des DIW) Herrn Michelsen dazu verdonnern persönlich zu jedem einzelnen Haushalt zu gehen der mitten in einer Pandemie und wirtschaftlich schwierigen Zeiten ohne eigenes Verschulden auf der Straße landet – und diesen Menschen zu erklären, warum das persönliche Leid das ihnen zugefügt wird so enorm wichtig für die Durchsetzung eines theoretischen Prinzips ist. Sorry DIW, eigentlich schätze ich euch sehr aber Herrn Michelsens Kommentar ist ein extremer Ausreißer nach unten (da wohnt schon der Mann mit dem Pferdefuß).

Nebenbei bemerkt ist das auch inhaltlicher Quatsch. Es ist alles andere als eindeutig, ob der Berliner Mietendeckel so einen massiven Einfluss auf den Wohnungsneubau hatte. Und es ist keinesfalls sicher, dass die Entscheidung des BVerfG jetzt zu einem Bauboom führen wird. Hier sind zu viele andere Faktoren am Werk (z.B. die Zinsentscheidungen der US-FED), als das sich eine derartig einfache Kausalität behaupten ließe. Wobei – behaupten geht immer. Und später kann man dann sagen: „Hm sorry, tut mir leid das es so schlecht für euch gewesen ist, und sich die erhofften Effekte nicht eingestellt haben. Für mich war es aber sehr gut.“

dritter Nachtrag vom 29.04.2021

Es kommt von mir zwar ein bisschen spät, aber besser als gar nicht: Ich hatte dem Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak ja zu Beginn dieses Beitrags vorgeworfen, dass er sich (bzw. sein Anliegen) nicht gleichzeitig als Interessenvertreter der Mieter*innen und der Vermieter*innenseite positionieren kann. Das geht einfach nicht, das sind antagonistische Positionen. Wobei natürlich auch eine Welt vorstellbar ist in der beide Seiten in einem kooperativen Verhältnis stehen. Aber im Moment herrscht ein Konflikt in dem es für die eine Seite mitunter um die blanke Existenz geht – und auf der anderen Seite mitunter mit einer emotionalen Kälte agiert wird, die man getrost als das psychopatische Verhalten benennen darf was es ist. Da kann man sich jetzt nicht rausreden und sagen, mir ging es nur um Rechtssicherheit.

Ich könnte da noch ewig weiter drüber schreiben (und hey, das werde ich wohl in Zukunft auch), aber im Moment will ich auf etwas ganz anderes hinaus. Am 18.04.2021 ist auf das Bürgerbüro von Herrn Luczak durch unbekannte Täter*innen ein Anschlag verübt worden und etwas später noch einmal im Prenzlauer Berg auf das Büro der FDP-Politikerin Daniela Kluckert. Das ist absolut inakzeptabel! Wie bescheuert muss man eigentlich sein, um nicht zu verstehen, dass exakt solche Aktionen die berechtigten Anliegen der Seite die für einen besseren Schutz für Mieterinteressen kämpft diskreditieren. Und wozu? Der Mietendeckel wäre so oder so vom BVerfG kassiert worden, wenn nicht durch die Klage der CDU/FDP, dann durch die Klage von jemand anderem. Im Grunde ist die Art und Weise auf der die aktuelle Entscheidung des BVerfG zustande gekommen ist sogar besser, denn sie stellt auch ein massives politisches Eigentor für die klagenden Fraktionen/Parteien dar. Zum Wohle der Klientel deren Interessen sie vertreten.

Aber das ist legitim. Nicht legitim ist es, uns eine Welt aufzwingen zu wollen, in der das Faustrecht regiert. Es fällt mir zwar wahnsinnig schwer, in diesem Umfeld legaler Ungeheuerlichkeiten (Stichwort Eigenbedarfskündigung) noch von Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu reden. Aber der Ausweg kann nur in der Veränderung des kodifizierten Rechts liegen – und niemals in der Anwendung (und Verherrlichung) von Gewalt.

vierter Nachtrag vom 30.04.2021

Na hoppla, trotz meiner gigantischen medialen Reichweite (*kicher*) scheint die Botschaft des Friedens noch immer nicht angekommen zu sein: Es gab einen weiteren Anschlag auf ein Bürgerbüro, diesmal war Mario Czaja von der CDU betroffen. Zu meiner Meinung zu den Gewalttaten brauch ich ja nichts mehr zu schreiben, das steht alles im Absatz eins weiter oben. Aber es gibt trotzdem noch etwas dazu zu sagen. Nämlich dass es wichtig ist (auch und vor allem für Politiker*innen), den krassen Konflikt zu verstehen der sich da direkt vor unseren Augen entfaltet. Auf der einen Seite stehen am äußeren Rand die gewalttätigen Randalierer, dann kommen viele verunsicherte Mieter*innen (denen der Arsch auf Grundeis geht), dann gibt´s noch eine schmale neutrale Mitte von guten Mieter*innen und fairen Vermieter*innen, und schon kommen auch die extremen Auswüchse der anderen Seite. Hier zitiere ich mal einen Kommentar, der unter dem zuletzt von mir verlinkten rbb – Beitrag geteilt wurde:

Zitat von S`reicht: „Macht nur weiter so – Ihr super Sozialromantiker und Enteingnungsfans. [sic.!] Jetzt ziehen wir die Miete nochmal kräftig an. Der Preis wird es schon regeln…..“

Mit „Der Preis wird es schon regeln“ ist gemeint, nicht mehr lange hin, dann landet ihr Arschlöcher allesamt auf der Straße. Alleinerziehende Kassiererin? – Pech gehabt! Krankenschwester? – raus mit dir! Handwerker? – weg damit!
OK, ich kenne „S´reicht“ nicht, vielleicht ist das ja nur eine ganz arme Sau, die davon träumt, ein irgendwie pervers tickender Hausbesitzer zu sein. Was ich aber weiß ist, dass seine Meinung in der Vermieter-Lobby wirklich weit verbreitet und salonfähig ist. Hier geht´s schon lange nicht mehr darum, einen Service oder ein Produkt anzubieten und im besten Fall damit jemand zu helfen. Nein, einige (nicht alle!!!) wähnen sich in einer Position, ihre finanzielle und rechtliche Macht endlich auch wirklich als Waffe gegen die Nicht-Wohlhabenden einzusetzen. Als „Angst-Hass-Kreislauf“ werden solche irrationalen Fixierungen z.B. von Wolf Wagner bezeichnet. Sozialbindung des Eigentums? Ein schlechter Witz! Seit über 40 Jahren wird das bundesdeutsche Mietrecht vom sozialen zum unsozialen Mietrecht umgebaut. In kleinen Schritten zwar, aber dennoch konstant in nur eine Richtung.

Wenn ich also davon rede, den aktuellen Konflikt zu verstehen, meine ich damit beide Seiten und ihre (auch unterbewussten) Motivationen und deren Handlungsoptionen zu verstehen. Und dann als verantwortungsbewusster „Schiedsrichter“ endlich damit aufzuhören, nur eine Seite zu unterstützen. (Gilt für das gesamte politische Spektrum.) Das höchste Gut unserer Gemeinschaft – der innere Frieden – wird nicht dadurch erreicht, dass wir die Flamme unter dem Schnellkochtopf einfach nur immer weiter aufdrehen.



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